Schon der große André Kostolany stellte fest, dass die Börse gerade Mal zu 10% auf Fakten reagiere, alles andere sei Psychologie. Wer die bereits veröffentlichten drei Beiträge dieser Börsenpsychologie-Reihe gelesen hat, wird diese Aussage durchaus unterschreiben. Psychologie ist der Schlüssel zum Erfolg für Trader. Selbst Charttechnik (bildet Verhaltensmuster ab) und Fundamentalanalyse (Bewertung mit fundamentalen Daten) basieren auf psychologischen Aspekten. Nun möchte ich mit dir tiefer in die Materie der Börsenpsychologie eintauchen. In diesem Beitrag wird es um kognitive Verzerrungen gehen.
Kognitionsproblem ist ein Sammelbegriff für zahlreiche psychologisch fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen. Diese vier Begriffe lassen sich auch als kognitive Prozesse zusammenfassen. Kommt es zu irrationalen Ausprägungen, so sprechen wir von kognitiven Verzerrungen. Wir selbst bemerken diese Vorfälle meist nicht und lassen uns unbewusst in die psychologische Falle locken. Viele kognitive Probleme basieren auf der kognitiven Heuristik, welche besonders für Trader ein Problem bzw. einen wichtigen Aspekt darstellt.
Hä … was? Heuristik? Die Prospekttheorie der Heuristik hatte ich bereits im zweiten Beitrag dieser Themen-Reihe erklärt. Hier kannst du diesen Artikel lesen. Als kurze Wiederholung: Bei der Heuristik handelt es sich um das menschliche Verhalten in Situationen mit begrenztem Wissen und wenig Zeit eine anwendbare Lösung zu finden. Auch Trader verfügen nie über ausreichend Informationen und müssen doch unter hohem Zeitdruck handeln. Die Anomalien und Verzerrungen, welche aus diesem Einfluss auf unsere Psyche entstehen, sind gewaltig.
Warum ist es wichtig, kognitive Verzerrungen zu kennen? Ich möchte doch handeln, Kurse analysieren und Gewinne machen. Wieso soll ich mich psychologischen Fehlfunktionen bei Menschen beschäftigen? Wer Menschen versteht, der versteht die Börse. Kurse sind ein Abbild menschlichen Handelns. Und das auch noch in Zeiten zunehmender Automatisierung. Wer versteht, wie sich Menschen in gewissen Situationen verhalten könnten, versteht weitaus mehr von der Börse als die meisten.
Übersicht der kognitiven Verzerrungen
Ich möchte im Folgenden auf eine Vielzahl von Verzerrungen eingehen. Ich bin mir sicher, dass du dich bei zahlreichen dieser wiederfinden wirst. Kannst du dir diese merken und traust du dich stets zu hinterfragen? Wer seine unbewussten Fehler bewusst erkennt bzw. erahnt oder ein Gefühl entwickelt, wann die eigene Psyche zu Verzerrungen neigt, wird selbst deutlich rationaler und sachlicher agieren.
Trading bedeutet in erster Linie sich selbst kennenzulernen und mit sich selbst zu arbeiten. Die meisten Fehler begeht man selbst und man selbst ist in der Rolle Aktien und Situationen bewerten und Handelsentscheidungen treffen zu müssen. Wir tun dies durchaus nicht nüchtern, sondern sind hierbei menschlich anfällig für Fehler. Unsere Psyche, vor allem das Unterbewusstsein, üben hier immer wieder großen Einfluss aus.
Bevor du die Möglichkeit hast, dir die zahlreichen kurzen Definitionen anzuschauen, möchte ich dein Interesse mit der ersten und aus meiner Sicht wichtigsten kognitiven Verzerrung anregen: Der Ankereffekt oder auch achoring effect. Hierbei lassen sich Anleger durch eine unbewusste Information in ihrer Entscheidung beeinflussen. Diese Information verzerrt die eigene Wahrnehmung. Beispielsweise wurden Personen in einem Naturkundemuseum befragt, wie viel Geld sie bereit wären für die Rettung von Vögeln einer Ölpest zu spenden. Die Entscheidungsfindung wurde bei einigen Gruppen mit dem Anker 5 und anderen mit dem Anker 400 beeinflusst. Der Anker wurde in Fragen wie „Wären Sie bereit 5$ zu spenden?“ versteckt. Zu erkennen war, dass die erste Gruppe im Durchschnitt 20$ angab und die zweite Gruppe 143$ bereit war zu geben. Beide Gruppen waren in ihrer Entscheidungsfindung unbewusst an den Anker gebunden. Am Kapitalmarkt können das die eigenen Aussagen sein. Hat man sie einmal gemacht, dann sind sie der Anker in allen Überlegungen. Aber auch Aussagen anderer Personen können zum Anker werden, selbst wenn sie nicht mehr oder weniger Wissen als wir besitzen. Wir erleben diese Anker immer wieder in der Berichtsaison, wenn Analysten die Erwartungen definieren. Ob ein Unternehmen nun den Umsatz um 40 oder 35% steigert, ist in den meisten Fällen unwichtig. Beides stellt durchaus sehr gute Werte dar. Doch wenn die Erwartung des Marktes bei 40% verankert ist, wird ein Wachstum um 35% oftmals mit Verkaufswellen bestraft. Unter den Erwartungen. Schlecht. Der Anker findet sich an der Börse in allen Bereichen. Überall werden Erwartungen und Faustregeln definiert. So gilt ein KGV von 30 weithin als sehr schlecht und eines von unter 10 als sehr gut. Doch so pauschal kann man dies eigentlich nicht sagen. Der Anker ist für die meisten dennoch im Geiste verankert. Anleger sollten sich jederzeit bewusst machen, wo die Anker liegen und hinterfragen, ob sie selbst in ihrer Entscheidungsfindung durch einen solchen beeinflusst wurden.
Attributionsfehler
Attributionsfehler
Bei dieser auch Korrespondenzverzerrung genannten Verzerrung handelt es sich um das Ereignis, dass Menschen einem Problem häufig Charaktereigenschaften zu Grunde legen und überbewerten, sowie den Einfluss externer Faktoren unterschätzen. Beispiel: „Er handelt so, weil er Ausländer ist“.
Bestätigungsfehler
Bestätigungsfehler
Sich selbst zu hinterfragen, den Status Quo zu kritisieren und einen bestehenden Standpunkt zu verlassen, ist psychologisch eine der unangenehmsten Dinge, welche es für Menschen gibt. Aus diesem Grund tritt häufig der Fehler auf, dass Informationen so ausgelegt und interpretiert werden, dass sie in die eigene Sichtweise passen. Dieses Phänomen tritt an der Börse meist in Kombination mit der „Wertverliebheit“ auf, bei der sich Anleger die Informationen für einen Wert so manipulieren, dass dieser immer positiv wirkt. Doch ist sich selbst zu belügen der richtige Weg?
Überzeugungsbias
Überzeugungsbias
Menschen tendieren dazu glaubwürdigen Schlussfolgerungen zu folgen, auch wenn diese falsch sind.
Bias Bling Spot
Bias Bling Spot
Forscher erkannten das Phänomen, dass Menschen sich selbst meist als unbeeinflusst halten. Alle sind falsch informiert und manipuliert – nur ich nicht? Dies erkennen wir aktuell bei Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern, welche meinen, dass nur sie die eigentliche Wahrheit erkannt haben. Dies ist eine kognitive Verzerrung der Realität.
Default Effekt
Default Effekt
Menschen tendieren zu der Option, welche zutrifft, obwohl sie sich selbst für keine Option entschieden haben. An der Börse tendieren Anleger zu solchen Werten, welche gut laufen, mit der Meinung das doch geahnt zu haben, obwohl sie selbst nicht investiert sind. Hierbei wird das Selbstwertgefühl gesteigert – man hat zwar nichts getan, aber schreibt sich dennoch einen Erfolg zu.
Déformation professionnelle
Déformation professionnelle
Typische Verhaltensweisen aus dem eigenen Beruf überträgt der Mensch gerne auch auf andere Bereiche, obwohl dies so nicht immer funktioniert. Er geht davon aus, dass sein professioneller Weg immer der richtige Weg sei.
Dunning-Kruger-Effekt
Dunning-Kruger-Effekt
Hierbei handelt es sich um das Phänomen, dass inkompetente Menschen sich selbst oft stark überschätzen und andere Menschen unterschätzen. Die eigene Inkompetenz, welche man sich selbst nicht eingestehen will, wird durch eine eigene irrationale Aufwertung und die Abwertung der Umgebung vermieden.
Halo Effekt
Halo Effekt
Für die Börse weniger von Bedeutung, aber dennoch interessant: Oft schließen Menschen von den bei einer anderen Person bekannten Eigenschaften auf unbekannte.
Kontrasteffekt
Kontrasteffekt
Für die Börse ungemein wichtig! Eine Information, welche isoliert mittelmäßig bewertet werden würde, wird positiver bewertet, wenn eine negative Information (der Kontrast) vorrangeht. Kennen Sie nicht auch den Spruch „Erst die gute oder schlechte Nachricht?“ und wählen Sie nicht immer erst die schlechte, um dann die gute im Kontrast noch besser zu sehen? Unbewusst! Unternehmen machen sich dies bei der Berichterstattung zu Nutze. Börse basiert auch auf Informationen. Doch die Darstellung dieser bewirkt auch viel.
Kontrollillusion
Kontrollillusion
Unter Kontrollillusion versteht man die falsche Annahme auf etwas Einfluss ausüben zu können, obwohl man dazu nicht in der Lage ist.
Rückschaufehler
Rückschaufehler
Ist es nicht lästig, wenn man recht behält und der Gegenüber dann plötzlich der Meinung selbst das ja auch so argumentiert zu haben? Oft wird die eigene Aussage in der Vergangenheit verfälscht, sobald das Ergebnis in der Gegenwart bekannt ist.
Illusorische Korrelation: Dies ist wohl Alltag an der Börse. Hierbei handelt es sich um den Fehler, dass Menschen zwischen zwei Dingen einen Zusammenhang sehen, der so nicht vorhanden ist. Wie oft liest man denn nicht, dass dieses und jenes Ereignis derzeit die Kurse bewegen soll. Manchmal richtig, manchmal Illusion.
Vermessenheitsverzerrung
Vermessenheitsverzerrung
Überschätzen der eigenen Fähigkeiten.
Scope Insensitivity / Scope Neglect
Scope Insensitivity / Scope Neglect
Das Nichtbeachten der geringeren Größe eines Problems. Hierbei wird zwei Problemen die gleiche Wichtigkeit/Einflusstärke zugeordnet und nicht ausreichend unterschieden.
Status Quo Bias
Status Quo Bias
Effekt, dass Menschen den Status Quo bevorzugt erhalten wollen, und sogar Verbesserungen ausschlagen und Nachteile in Kauf nehmen. Menschen wagen selten den (risikoreichen) Schritt den Status Quo zu verlassen, selbst wenn dieser Schritt zu einer Verbesserung dessen führen könnte.
Lake-Wobegon-Effekt
Lake-Wobegon-Effekt
Die selbstwertdienliche Verzerrung führt dazu, dass Menschen alles tun ihr Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten. Sich Fehler einzugestehen können die wenigsten.
Muster-Illusion
Muster-Illusion
Die Apäphonie bezeichnet die Schizophrene Neigung Muster zu erkenne, wo keine sind. Die Clustering-Illusion geht in dieselbe Richtung und beschreibt die Situation, dass Menschen oft Mustern zu viel Bedeutung beimessen, obwohl diese statistisch zu selten/schwach vorkommen.
Emotionale Beweisführung
Emotionale Beweisführung
Das Phänomen, dass Menschen ihre emotionale Reaktion als Beweis einer Annahme anführen. Nur weil man im ersten Moment ein schlechtes Gefühl hatte ist dies nicht der Beweis, dass etwas tatsächlich schlecht ist.
Alles an der Börse besteht aus Reaktion, Bewertung und menschliches Handeln. Hierbei nehmen Trader Kursbewegungen und Informationen wahr. Da sie keine Maschinen sind agieren sie nicht rational, sondern emotional. Die Börse basiert auf Emotionen und Handlungsmustern von Massen.
Selektive Wahrnehmung
Selektive Wahrnehmung
Großen Einfluss übt dabei die selektive Wahrnehmung von Tradern aus. Darunter versteht sich auf der einen Seite das Priming (Bahnung). Hierbei handelt es darum, dass viele gleiche Reize die Wahrnehmung dieses Reizes verstärken. Wer immer wieder Verluste mit Rohstoffen gemacht hat wird in Zukunft auf jegliche, auch kleinere, Schwankungen wesentlich nervöser reagieren. Auf der anderen Seite befindet sich das Framing (Einordnen). Neben der Psychologie ist die Wahrscheinlichkeitsbestimmung mit das Wichtigste, was ein Trader beachten muss, und auch eine der Hauptursachen für Fehler und Verluste. Kann man die Wahrscheinlichkeit nicht bestimmen, so wird das Ereignis in ein Umfeld eingeordnet. Kann der Trader zum Beispiel das Risiko eines Unternehmens nicht einschätzen, so ordnet er dieses in das ihm bekannte Risiko einer Branche ein. So sieht er beispielsweise in allen Hochzinsanleihen große Risiken, obwohl es bessere und schlechtere High-Yield-Bonds gibt.
Trägheit und Ansteckung
Trägheit und Ansteckung
Menschen sind nicht nur Träge und halten am Status Quo fest und manipulieren ihre Umgebung lieber als sich einen Fehler einzugestehen. Auch lassen sie sich wahnsinnig schnell anstecken. So ahmen Trader andere Trader meist nach aus Angst davor etwas zu verpassen. Auch fanden Studien heraus, dass junge Fond-Manager meist das Verhalten der Branche nachahmen und kaum individuell Handeln, um im Falle eines Crashs nicht allein zu sein. Kaum jemand wagt es sich antizyklisch gegen einen Trend zu stemmen. So wäre er doch im schlimmsten Fall der alleine Verlierer und der geballte Hohn würde sich nur auf ihn konzentrieren anstelle sich auch eine Masse zu verteilen in der man sich wegducken kann. Ist deswegen auch der Ansatz der Trend-Folger der beliebteste und sinnvollste? Die meisten Anleger laufen dem bestehenden Trend nach. Sie lassen sich anstecken.
Mentale Buchführung
Mentale Buchführung
Auch dies ist eine gewichtige Fehlerquelle. Um die Übersicht über Einnahmen und Ausgaben zu haben führen wir mentale Konten. Fiktiv sortieren wir Einnahmen und Ausgaben in verschiedene Kategorien ein. Dies kann zu unserem Vorteil sein, wenn wir so die Übersicht behalten. Es kann jedoch auch zu unserem Nachteil sein und zu irrationalen Handlungen führen.
Richard Thaler erforschte dies anhand eines Experiments mit Theaterbesuchern. Eine Karte kostet 10$. Einigen Leuten, welche in der Schlange standen, sagte er, dass sie ihre schon gekaufte Theater-Karte verloren hätten und sie müssten sich eine zweite kaufen. 56% (44% waren dazu bereit) der Besucher waren dazu nicht bereit. Mental addierten sie die Kosten in einem mentalen Konto. 20$ für einen Theaterbesuch auszugeben war mehr als ihnen dieser Wert war. Einer anderen Gruppe, welche die Karten noch kaufen musste, sagte er, dass sie die 10$ im Portemonnaies leider verloren haben und die Theater-Karte nun mit EC-Karte bezahlen müssten. In diesem Fall waren lediglich 12% nicht bereit dazu. 88% der Besucher kauften sich die Theater-Karte trotzdem. In ihrem mentalen Verständnis verbuchten sie den Verlust der 10$ in einem anderen fiktiven Konto. Der Theaterbesuch kostete in ihrer Sichtweise weiterhin 10$.
Die Verlustaversion ist im ersten Fall größer. Durch die unterschiedliche mentale Buchführung fühlt die ersten Gruppe eines Verlust von 20$ und hat eine höhere Abbruchrate diesen Verlust nicht zu realisieren. Die zweite Gruppe hat einen gefühlten Verlust von nur 10$ und steht diesem weniger emotional berührt gegenüber. Auch erkennen wir das Festhalten am Status Quo. Ein Theaterbesuch kostet 10$ und ist somit auch 10$ wert. Die Besucher sind nicht dazu bereit von diesem Status abzurücken. Eine Veränderung auf 20$ wird als schlecht und zu vermeiden wahrgenommen. Die erste Gruppe scheut sich dementsprechend davor. Die zweite Gruppe verrechnet die Kosten anders und merkt eine Veränderung des Status Quo nicht.
Dies sollten Sie auch an sich selbst untersuchen. Ordnen Sie Verluste falsch ein? Akzeptieren sie Verluste an der einen Stelle, weil sie diese unbewusst mental bei „Rohstoffen“ verbuchen und andere Verluste bei „Technologie“ und sehen die Summe der Verluste nicht?
Endowment-Effekt
Endowment-Effekt
Der Endowment Effekt besagt, dass Menschen Güter, die sie besitzen, wertvoller einstufen als Güter, welche sie nicht besitzen. So kommen unterschiedliche Preise für Güter zustande, denn der Nachfrager schreibt dem Gut einen anderen Wert zu als der Anbieter.
Wir haben bereits erkannt, dass Anleger viel zu lange an Verlustpositionen festhalten. Das geschieht wegen vieler Beweggründe, aber potentiell auch durch den Endowment Effekt. Man hat die Aktie für XY Euro eingekauft. Das ist eigentlich der Wert, den man dem Gut (dem Wertpapier) selbst zuschreibt. Selbst wenn man in seiner Ansicht des Wertes nachgibt und diesen senkt wird man immer mehr für die Aktie haben wollen als der Markt geben wird. Man hält an seinem Besitz fest, weil man nicht unter der eigenen Wertvorstellung verkaufen möchte.
Geldwertillusion
Geldwertillusion
Ein großer Teil des Kapitals einer Zentralbank ist die „Glaubwürdigkeit“. Ihre Aufgabe ist es auch den Wirtschafts-Subjekten eine langfristige und glaubwürdige Aussage über die Inflation zu geben. Das ist wichtig, damit es nicht zu vorschnellen, vorsorglichen und aus Sorge getriebenen Forderungen nach Gehaltserhöhungen, zum Beispiel, kommt.
Eine mögliche „Waffe“ der Zentralbank ist jedoch die Überraschungs-Inflation. Hierbei greift die Zentralbank ein und fördert eine Inflation. Die Wirtschafts-Akteure jedoch sind weiterhin im Glauben, dass keine Änderung der Inflation aufkommt. Sie gehen davon aus, dass ihr Geld immer noch so viel Wert ist wie zuvor. Dies ist dann eine Geldwertillusion.
Reziprozität
Reziprozität
Reziprozität beschreibt das Verhalten von Individuen, die dazu bereit sind anderen altruistisch entgegenzutreten. Das bedeutet, dass man einer anderen Person uneigennützig hilft und in Kauf nimmt selbst mehr Aufwand zu haben, um dem anderen zu helfen. Hierbei geht man davon aus, dass sich dieser Aufwand lohnt und der Gegenüber einem dies an anderer Stelle zurückgibt. Geben und Nehmen. So ich dir, so du mir. Wie man in den Wald ruft so hallt es heraus. Dieses Verhalten kann so stark und auch irrational sein, dass Menschen vor Allem Personen, mit denen sie nicht verwandt sind, besonders helfend gegenüber auftreten. Warum ist das irrational? Die Wahrscheinlich die Leistung mit einer Gegenleistung vergütet zu bekommen ist weitaus niedriger. Fraglich ob man diese Person wiedertrifft.
Warum ist das für die Börse entscheidend? Auch an der Börse ist starke Reziprozität anzutreffen. Anleger handeln indirekt mit Millionen weiteren Akteuren zusammen. Das Potential enttäuscht zu werden ist groß. Kauft man beispielsweise selbst Aktien eines Wertes so geht man davon aus mit vielen anderen zusammen nun Kurssteigerungen erreichen zu wollen. Verkaufen diese anderen nun und fällt der Kurs, dann wird die eigene Leistung nicht belohnt, sondern gar bestraft. Aus der Neigung anderen uneigennützig und trotz eigener Kosten zu helfen wird dann schnell Trauer oder Rache. Emotionale fühlt sich der Anleger enttäuscht und kann im Moment der Wut versuchen gegen den Markt zu handeln (Rache).
Bauchgefühl
Bauchgefühl
Die Intuition ist eine grundlegende Art der Wahrnehmung. Hierbei wird ohne bewusstes Denken die Gesamtheit aller Fakten und Faktoren erfasst und mit bekannten vergangenen Erfahrungen verglichen. Aus der Kombination dieser Dinge entsteht eine Vorahnung oder auch Intuition. Auch der Geistesblitz ist eine Form dessen.
Ein Bauchgefühl muss also nicht zwingend etwas schlechtes sein. Man hat dieses jedoch nicht bewusst denkend erlangt, sondern unbewusst. Menschen neigen dazu positive Ergebnisse dem Bauchgefühl und negative Ergebnisse eigenen Fehlern anzurechnen.
Easterlin-Paradox
Easterlin-Paradox
Easterlin beobachtete über mehrere Jahrzehnte weltweit die Bevölkerungen. Er fand heraus, dass oftmals trotz Zuwächsen des Einkommens die Zufriedenheit nicht stieg. Vor kurzem wurde auch ein Nobelpreis vergeben als erforscht wurde bis zu welcher Summe ein Mensch durch den Zuwachs von Einkommen glücklicher werden kann.
Entscheidend für uns ist, dass ab einem bestimmten Einkommen zusätzliche Gewinne nicht glücklicher machen, aber Verluste weiterhin emotional Belasten (Verlustaversion). In diesem Fall fühlt man sich durch Gewinne nicht belohnt, aber durch Verluste bestraft. Positive Erlebnisse durch Einkommens-Zuwächse sind kaum erreichbar.
Noise Trading
Noise Trading
Noise Traders oder auch hin und wieder als „idiot traders“ bezeichnete Personen versuchen aus nichtfundamentalen Daten Gewinne zu fabrizieren. Zumeist handeln sie basierend auf Informationen, News und Nachrichten. Das Problem ist, dass diese Händler meist Gerüchte handeln und aus diesen Profit schlagen wollen. Da es sich um Gerüchte ohne fundamentalen Wert handeln erleiden Noise Traders (zu Deutsch: Rauschhändler) meist schnell Verluste.
Für den Markt sind diese Händler jedoch nervig und für Händler ein Dorn im Auge. Daher kommt der selten verwendete Ausdruck des Idioten-Händlers. Das Problem ist, dass dieses Handels-Verhalten Gerüchte und Falschmeldungen in die Kurse bringt. Durch die Summe der Verkäufe und Käufe bewegen sich die Kurse dann auch trotz unseriöser oder unqualitativer Informationen. Die Kurse bewegen sich irrational. Noise Trader haben meist wenig Kenntnis und Erfahrung und verlassen sich auf belanglose Nachrichten. Sie heizen Volatilität an.
Ellsberg Paradoxon
Ellsberg Paradoxon
Forscher fanden heraus, dass Markt-Akteure teils widersprüchlich handelten und Wahrscheinlichkeiten ignorierten und gegen diese handelten oder „ins Blaue rein“ agierten. Am Ender Forschungen stellten Forscher fest, dass zwischen Risiko und Unsicherheit zu unterscheiden. Ein Risiko ist immer noch mathematisch oder statistisch bewertbar. Es gibt jedoch Situationen in denen dem Akteur keine Möglichkeit zum Abschätzen gelassen wird.
„Unsicherheit muss als etwas radikal anderes als die vertraute Bedeutung von Risiko aufgefasst werden, von der es nie ordentlich getrennt wurde […] Die entscheidende Tatsache ist: Risiko meint in manchen Fällen eine messbare Quantität, während es in anderen Fällen etwas bezeichnet, das einen völlig anderen Charakter hat; und es gibt weitreichende und entscheidende Unterschiede bzgl. des Verhaltens von Phänomenen je nachdem welche dieser [Bedeutungen] tatsächlich vorliegt.[…] Es scheint, dass messbare Unsicherheit – „risk proper“ genannt – sich von nicht-messbarer [Unsicherheit] in einem solchen Ausmaß unterscheidet, dass es sich [bei Erstem] im Endeffekt überhaupt nicht um eine Unsicherheit handelt.“
– Frank Knight: Risk, Uncertainty, and Profit, S. 19 f.
Ein für uns wichtiges Resultat der Forschungen ist, dass Menschen dazu tendieren ein Risiko eher zu nutzen, dessen Wahrscheinlichkeitsverteilung ihnen jedoch bewusst, anstelle eine Unsicherheit einzugehen.
Wir sind als Menschen beeinflussbar. Wir sind emotional. Fehler zu machen ist menschlich. Doch wir sollten dies nicht als Ausrede nutzen. Trading bedeutet in erster Linie Charakterbildung. Wir analysieren uns selbst und versuchen unser Verhalten zu optimieren. Ziel ist eine möglichst sachliche und möglichst wenig verzerrte Sichtweise und nüchterne Handelsentscheidung. Immer kann das nicht klappen. Doch wir können an uns arbeiten. Ein erster Schritt ist es zu wissen, wo die Gefahrenstellen liegen und dann in bestimmten Situationen aufzuhorchen, sich zu erinnern und eine kognitive Verzerrung zu vermeiden.
Ich möchte dir mit dieser Artikel-Reihe weiterhin einen Einblick in die Welt der Börsenpsychologie verschaffen. Welchen psychologischen Einflüssen bin ich selbst verfallen? Und wie wirken sich die psychologischen Aspekte in der Masse an der Börse aus? Mit der Psychologie verstehen wir das Verhalten von Massen. Wann sind Anleger ängstlich, warum halten sie am Status Quo fest oder wieso fällt ein Kurs trotz guter Nachrichten?
Alle Artikel der Börsenpsychologie-Reihe auf einen Blick
- Börse basiert auf Psychologie
- Prospekttheorie der Heuristik
- Verlustaversion, Status Quo und Trugschlüsse
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- Anomalien der Heuristik
- Traden ist Charakterbildung
- Psychologische Fallen
- Praxisbeispiele