Wie entsteht ein Börsenkurs?
Orderbuch: Ob in der Tageszeitung, auf dem Handydisplay, dem Händlerbildschirm am Arbeitsplatz oder der Kurstafel über dem Börsenparkett: die aktualisierten Kurse verschiedener Basiswerte prägen die eingeschlagene Marktrichtung nachhaltig.
Die Frage nach der künftigen Entwicklung dieser Kurse beschäftigt zahlreiche Börsenexperten, professionelle sowie unerfahrene Anleger und füllt ganze Regalreihen mit entsprechender Fachliteratur. Bei der Analyse potentieller Preisänderung von Finanztiteln überspringen viele Investoren allerdings vor dem gewagten Schritt in die Zukunft den essentielleren Schritt bei der Kursprognose- Die Frage nach der Entstehung.
Die vermeintliche Antwort nach der Wurzel des aktuellen Marktpreises für ein Finanzinstrument liegt meist in einer Kombination von Wirtschaftsnachrichten, Fundamentaldaten oder häufig verwendeten Chartmustern. Natürlich sind diese Ansätze nicht falsch. Sämtliche der genannten Parameter tragen ihren individuellen Part zur Dynamik der Kurse bei. Allerdings ist die Antwort viel simpler als zumeist angenommen.
Der Preis für eine Aktie, einen Rohstoff, ein Währungspaar oder andere Finanztitel entsteht, wie bei allen anderen Gütern, durch das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage.
Erster Schritt in Richtung Orderbuch – Der Begriff Order
Diese preisbestimmenden Determinanten werden an der Börse durch Kauf- und Verkaufsanweisungen der Marktteilnehmer repräsentiert. Im Fachjargon spricht man hierbei von einer Order, die den Handel eines Finanztitels am Kassa- oder Terminmarkt in Auftrag gibt.
Die Order beinhaltet grundsätzlich folgende Informationen:
- Identifikationsnummer des zu handelnden Wertpapieres
- Klassifikation des Auftrages (Kauf oder Verkauf des Finanzinstruments)
- Volumen des Auftrags
- Form der Order (limitierter oder unlimitierter Auftrag)
- Gültigkeit der Order
- Börsenplatz bzw. Plattform über die das Geschäft abgewickelt werden soll
Was ist ein Spread/Bid/Ask?
Zwar lassen diese initialen Kenntnisse zum Entstehungsprozess vermuten, dass die Preisfindung ein simpler Vorgang ist, allerdings erhöht sich die Komplexität durch das Einwirken der primären Triebkräfte Angebot und Nachfrage. Die Vorstellungen über einen gerechten Preis für das Finanzinstrument sind zumeist ebenso individuell wie die Individuen, welche den entsprechenden Auftrag an den Handelsplatz übermitteln. In einem theoretisch vollkommenen Markt dürften die Vorstellungen von Anbieter und Nachfrager im Grunde nicht signifikant voneinander abweichen. Von diesem Idealzustand sind die tatsächlichen Gegebenheiten weit entfernt.
Den einen tatsächlichen Preis in Form einer alleinstehenden Dezimalzahl in der zugehörigen Währung gibt es nicht. Tatsächlich erhält der Marktteilnehmer zu jedem Produkt ein dynamisches bilaterales Gefüge von Kauf- und Verkaufspreis. Auf der linken Seite steht der Geldkurs, der dem Inhaber eines Wertpapiers den erzielbaren Betrag bei einem Verkauf ausweist. Der englische Begriff Bid (deutsch: Angebot) erscheint an dieser Stelle zielführender, denn der Term lässt auf einen Anbieter schließen, der seine Ware veräußern will.
Einen zumeist höheren Preis findet der Investor auf der rechten Briefseite. Der publizierte Wert zeigt dem Interessenten, zu welchem Gegenwert er aktuell den Finanztitel erstehen kann. Auch in diesem Fall findet sich die treffendere Umschreibung der Briefseite im angelsächsischen Namen Ask (deutsch: Nachfrage).
Die Differenz zwischen Geld- und Briefkurs lässt sich rational durch die unterschiedlichen Zielsetzungen der Akteure erklären. Der Verkäufer will die Ware zu einem möglichst hohen Preis veräußern, während der Käufer daran interessiert ist, das Gut zu geringfügigen Kosten zu erhalten. Der Unterschiedsbetrag zwischen Geld- und Briefkurs wird im Fachjargon als Spread bezeichnet. Zwar gibt es diverse Variationen in der Herleitung dieser Handelsspanne, allerdings konzentrieren wir uns in diesem Fall auf den absoluten Spread. Dieser resultiert, indem man vom Betrag der Briefseite den Gegenwert der Geldseite subtrahiert.
Leider wird die beschriebene Geld-Brief-Spanne, gemessen an ihrer Bedeutung, von vielzähligen Anlegern nicht ausreichend gewürdigt. Grundsätzlich ist es wichtig zu verstehen, dass der zu zahlende Unterschiedsbetrag für den Anleger ein Kostenfaktor und für das Emissionsunternehmen bzw. den vermittelnden Broker einen Ertrag darstellt. Daher sollte der potentielle Investor sich bereits vor dem ersten Handelsabschluss mit den Spreads des jeweiligen Brokers intensiv auseinandersetzen, denn diese beeinflussen seine Gesamtkosten und somit seine Performance.
Ein attraktiv erscheinender Anbieter, der mit einem spreadlosen Handelsgeschäft wirbt, kann den entgangenen Ertrag durch die höheren Ordergebühren mühelos ausgleichen. Auch für das eigene Depot ist der Spread von Bedeutung. Bei jedem eingegangenen Handelsabschluss erhöht der Spread hypothetisch die Gesamtkosten, denn die unmittelbare Glattstellung der Position würde einen Verlust mit sich bringen. Ein Kleinanleger in der Lernphase mit einem vergleichsweise geringeren Budget sollte sich zunächst eher an liquideren Märkten und Produkten orientieren, um die möglichen Verluste vorab zu begrenzen.
Bei hohen Abständen zwischen Kauf- und Verkaufspreisen spricht man von einem breiten Spread. Enge Geld-Brief-Spannen werden mit dem Adjektiv eng betitelt. Der tatsächliche Unterschiedsbetrag variiert mit zunehmenden Zeitverlauf und ist abhängig von vielen unterschiedlichen Faktoren wie der Liquidität des zugrundeliegenden Basiswertes, dessen Volatilität, dem Emittenten des Wertpapiers oder dem Börsenplatz, über den das Produkt gehandelt wird. Die Differenzen im umsatzstärkeren Markt des Devisenhandels werden geringer ausfallen als bei exotischeren Basiswerten mit einer geringen Marktkapitalisierung.
Im Falle eines besonders liquiden Marktes spricht der versierte Händler von einem Tight Market oder Narrow Market, da hier der Spread besonders eng ist. Das genaue Gegenteil hat der Investor bei einem Slack Market zu erwarten. Welche Rolle der Bid-Ask-Spread bei der Kursermittlung einnimmt, wird nun bei der Erläuterung des Orderbuches erläutert.
Einführung Orderbuch
Tatsächlich repräsentiert die Kursfeststellung eine der wichtigsten Aufgaben jeder Börse. Ausgeführt wird dieser Auftrag von einem Börsenmakler, welcher bei dieser Tätigkeit von der internen Handlungsüberwachungsstelle überprüft wird. Neben verschiedenen Informations- und Kontrollsystemen greift der Makler bei der Kursfindung auf das Orderbuch zurück.
Das Orderbuch offeriert dem Händler eine Bestandsliste mit gegenwärtigen Kaufs- und Verkaufsaufträgen für das entsprechende Finanzinstrument. Im Rahmen dieser Aufstellung sind die gesammelten Kundenorders gemäß ihrer Limitierung angeordnet.
Um das Orderbuch zielführend zu instrumentalisieren, sind die darin enthaltenen Informationen über das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage sachgemäß zu interpretieren. Der Anleger erhält zumeist einen Überblick über die zehn Aufträge mit den zum Zeitpunkt besten Kursen in Relation zum zuletzt festgestellten Gleichgewichtspreis. Auf der linken Seite des Buches werden die Kaufaufträge gelistet. Die Anzahl der Anordnungen wird mit absteigenden Preis aufsummiert, denn ein Investor würde das betrachtete Finanzprodukt nicht nur zum aufgegebenen Limit, sondern auch günstiger erstehen wollen.
Funktionsweise und Aufbau der rechten Seite – mit den Verkaufsorders – entspricht nahezu vollständig der gegenüberliegenden Käuferseite. Der gravierende Unterschied liegt in der Kumulation der Orders, denn die letzte Anzahl an Verkaufsaufträgen wird hier beim nächst höheren Preis zum entsprechenden Gebot hinzugerechnet.
Unter den Investoren wird die Anzahl der Aufträge häufig durch den Begriff Volumen ersetzt. Das Volumen wird im Gegensatz zu den Preisen nicht nur quantitativ, sondern durch die grafische Darstellung von farblichen Balken auch visuell präsentiert.
Schlussendlich eröffnet das Orderbuch einen Einblick in die Kurshistorie. In der Historie des vorliegenden Bildbeispiels sind neben den festgestellten Preisen der vergangenen Periode auch einige Kurse mit dem Zusatz „G“ versehen worden. In diesem Fall konnte die limitierte Kauforder nicht ausgeführt werden, da das eingestellte Kaufgebot unterhalb des aktuellen Briefkurses liegt. Der Makler zeigt dem Kunden durch den festgestellten Geldkurs (G), dass die Order registriert wurde, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausführbar ist. Der Geldkurs signalisiert, zu welchem Preis das Produkt aktuell am entsprechenden Börsenplatz verkauft werden kann. Unter der Zuhilfenahme der vergangenen Schlusskurse und der festgestellten Preise innerhalb der betrachteten Handelsphase kann der Anleger die Kontinuität der Kurse beurteilen und bei seiner eigenen Order berücksichtigen.
Sämtliche Informationen aus dem Orderbuch helfen dem Makler bei seiner Aufgabe, einen ordnungsgemäßen Kurs festzustellen. Hierbei sind vor allem die Preis- und Zeitpriorität zu beachten. Der Börsenmakler ist verpflichtet, den Kurs festzustellen, zu dem der höchstmögliche Umsatz durch die Ausführung von Kauf- und Verkaufsaufträgen generiert werden kann. Dieses Ziel, möglichst viele Orders durchzusetzen, wird in der Händlersprache Meistausführungsprinzip benannt.
Im Rahmen der Statuten kann es auch zu einer Teilausführung kommen, sofern auf Käufer- oder Verkäuferseite ein Überhang besteht und zum gegenwärtigen Kurs somit nur ein Teil des Bedarfs erfüllt werden kann.
Abgesehen von der preisbezogenen Orientierung ist die zeitliche Komponente bei der Kursfeststellung von Bedeutung. Das System versieht jede Order mit einem zeitlichen Eingangsvermerk, sodass bei der Ausführung kein Auftrag vernachlässigt wird. Somit werden identische Gebote in Relation zu ihrem zeitlichen Eingang abgewickelt.
Die im Orderbuch enthaltenen Kauf- und Verkaufsaufträge können erst dann ausgeführt werden, wenn Geld- und Briefkurs übereinstimmen. In speziellen Fällen kann der Börsenmakler durch einen Liquiditätszuschuss für die Ausführung sorgen, auch wenn Geld- und Briefkurs nicht übereinstimmen. Nichtsdestotrotz muss der Kurs innerhalb des vorgegebenen Spreads festgestellt werden. Zur Unterstützung des Händlers signalisiert ein automatisiertes Kontrollsystem dessen Ausführbarkeit.
Nachdem die entsprechende Order nach dem Meistausführungsprinzip abgewickelt wurde, verschwinden die betroffenen Aufträge aus dem Buch und die nachstehenden Gebote ersetzen ihren Platz. Im Preisfindungsprozess werden sogenannte Stop-Loss- bzw. Stop-Buy- Orders nicht berücksichtigt, da Sie bei der Auslösung zumeist in eine Market Order transformiert werden und erst mit dieser erfolgten Umwandlung realisiert werden können.
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen offenem und geschlossenem Orderbuch. Selbstverständlich erhält der professionelle Börsenhändler bei der Kursfeststellung die aufgeführten Informationen in beiden Versionen, allerdings bleiben diese beim geschlossenen Orderbuch anderen Anlegergruppen vorenthalten. Deshalb ist das offene Orderbuch und seine potentiellen unterstützenden Hinweise für die Handelsstrategie von Privatanlegern äußerst lukrativ.
Welche Vorteile bietet das offene Orderbuch
Nachdem die Anatomie und die Funktionsweise des Orderbuches oben sukzessive definiert wurde, gilt es nun, den Mehrwert für das eigene Handeln durch die Anwendung des erlernten Verständnisses zu verdeutlichen.
Das offene Orderbuch ist nicht nur als reine Bestandsliste von Kauf- und Verkaufsanweisungen zu betrachten. Liest man zwischen den Zeilen, so erhält man wertvolle Hinweise für die eigene Handelsstrategie.
Das bezifferte Verhältnis von Käufern und Verkäufern galt bereits in der Historie als unterstützendes Werkzeug bei der Prognose kurzfristiger Kursverläufe. Der gezielte Blick auf die Orderlage wurde bereits vor der heute weit verbreiteten Charttechnik täglich genutzt, da in der Vergangenheit die Preise zur Vervollständigung des Kursbildes aufwendig abgetragen und zusammengeführt werden mussten.
Des Weiteren dient das Wissen hinsichtlich des Handelsvolumens und der Nachfrage- oder Angebotspreise als Orientierungspunkt für den eigenen Gegenwert des bevorstehenden Kaufs oder Verkaufs. Somit erhöht sich die Chance einem nicht marktgerecht kalkulierten Preis und somit einem potentiellen Verlust oder einer Teilausführung präventiv entgegenzuwirken.
Schlussendlich wird die Orderlage durch die visuelle Gegenüberstellung von Kaufs- und Verkaufsvolumen zu den Kursen um den entsprechenden Gleichgewichtspreis erweitert. Das symmetrische Zusammenspiel von bezifferten und grafisch aufbereiteten Informationen offeriert dem Investor einen transparenten und schnellen Überblick bezüglich der gegebenen Preisdynamik (preislichen Dynamik/Kursdynamik) am fokussierten Markt.
Das Orderbuch, kurz zusammengefasst
Schlussendlich wird die initiale Frage nach der Entstehung des Börsenkurses auf die vorgenannten zusammenwirkenden Energien von Angebot und Nachfrage beantwortet. Das aktuelle Verhältnis zwischen den kaufenden und verkaufenden Marktteilnehmern, lässt sich aus der nun transparenteren Anatomie des Orderbuches ableiten und instrumentalisieren.
Die augenblickliche Orderlage, sowie das Wissen hinsichtlich des Preisfindungsprozesses können dem Anleger bei der Bestimmung eines angemessenen Kauf- oder Verkaufsgebots unterstützen und langfristig zur Verbesserung seiner Performance beitragen.
Letztlich bleibt zu erwähnen, dass der Komfort eines offenen Orderbuches und somit ein Überblick der aktuellen Lage nicht an jedem Börsenplatz geboten wird. Steht diese potentielle Informationsquelle dem Investor jedoch zu Verfügung, sollte er diese bei seiner finalen Anlageentscheidung stets berücksichtigen.
Viel Erfolg dabei wünscht Euch
Das Insidetrading-Team